Peter Bohnenstengel sprach am 12.10.2019 mit dem Künstler

anlässlich des Konzerts am 2. November:

 

Diplomfilmregisseur Peter Bohnenstengel wirkte an Spielfilmen mit, so u.a. bei der DEFA-Barrandov-Koproduktion „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“(1973) oder DEFA-Gorki-Koproduktion „Peters Jugend“(1981). Anfang der 2000er Jahre realisierte er biographische Filminterviews mit Künstlern wie dem Architekten Hermann Henselmann und dem Maler Walter Womacka. Diese Dokumentaraufnahmen sind wichtige Dokumente der Zeitgeschichte geworden. Anlässlich seines Konzertes in der „Heilig-Kreuz-Kirche“ interviewte Bohnenstengel den Bildenden Künstler und Pianisten Markus Mende.

 

 Wie sind Sie zum Klavierspiel gekommen?

 

Über Umwege. Ich war zwölf, als ich mich in der Musikschule testen lies, aber für Klavier war ich dort schon zu alt und an der Trompete oder mit dem Akkordeon, was man mir vorschlug, wollte ich mich nicht versuchen. Meine Mutter suchte einen Privatlehrer, der zufällig als Professor an der Spezialschule für Musik in Berlin unterrichtete. Sie stellte mir auch, es klingt kurios, weil es damals nichts anderes zu kaufen gab, einen Flügel in mein Kinderzimmer – und so fing alles an…

 

Und hat es Ihnen Spaß gemacht?

 

Oh ja, ich war völlig vernarrt in dieses Instrument. Ich wollte vom Aufstehen bis zum Schlafengehen ununterbrochen üben, zumindest aber nach der Schule und die Schulferien hindurch. Später habe ich mir an jedem Ort immer ein Instrument gesucht, um immer üben zu können, wenn ich frei hatte. Auch an der HUB, als ich dort als Programmierer arbeitete, nach der Arbeit gegen 16 Uhr ging ich in die Aula oder in einen der Übungsräume der Musikwissenschaften und spielte, übte dort bis Mitternacht, bis zum geht-nicht-mehr, wie man so sagt. Fast mein halbes Leben saß ich am Klavier. Ich kam einfach nicht davon los.

 

Wieso sind Sie dann Computerprogrammierer geworden und haben nicht Klavier studiert? 

 

Ehrlich? Ich habe es mir nicht zugetraut. Und litt darunter. Aber ich war irgendwie immer in der Hochschule für Musik „unterwegs“, habe auch einige Hochschullehrer „verschlissen“. Später schlug ich sogar die Möglichkeit aus, von Prof. Dieter Zechlin unterrichtet zu werden, einem bekannten DDR Pianisten, der auch Rektor der Eisler-Hochschule war. Vielleicht war das dumm, jedoch rückblickend verstehe ich meinen Entschluss. Ich wollte selber herausfinden, was Musik bedeutet, wie sie von mir zu interpretieren sei, ohne „die Brille und Zwänge“ eines Studiums. Ich wollte auf keinen Fall Kopierer von Vorhandenem werden, weder im Spiel noch in der Interpretation. Der Preis war hoch: Aus vier Jahren Studium vierzig 40 Jahre quälende Arbeit, Suche und – Warten

 

Hat sich das alles nun gelohnt?

 

Ja. Aus meiner Sicht – ganz bestimmt. Ich erwarb die Fähigkeit, mich nicht blenden zu lassen von Musikdarbietungen oder auch in anderen Bereichen der Kunst, sondern zu erkennen, ob etwas wirklich tiefes neues Künstlerisches vor einem entsteht. Das ist ein großes Geschenk. Außerdem werde ich endlich meinen Ansprüchen gerecht. Dass ich das durchgehalten habe, das ist – für mich - ein tolles Ding! 

 

Haben Sie auch mal selbst Klavier unterrichtet?

 

Mehrere Jahre habe ich damit u.a. meinen Lebensunterhalt bestritten. Es kam mir vor wie ein Opfer, als ich damals diese Tätigkeit abbrach, die mir so viel Freude bereitete. Aber so lange ich nicht das bringen konnte, was ich von mir wollte, war ich der Meinung, das von anderen auch nicht einfordern zu dürfen. So überhörte ich auch die Worte meines damaligen Lehrers in der UdK Berlin, 

sollte ich keine Konzertkarriere anstreben, würde ich sicher ein guter Lehrer werden.

 

Und sind Sie ein guter Lehrer geworden?

 

Sagen wir so: ich verstehe erst jetzt, was er damit meinte. Viele Klavierspieler lernten Entscheidendes im frühen Kindesalter ohne wirkliches Bewusstheit dafür, mechanisch, und können deshalb nur auf diese Weise unterrichten, vermitteln, wie sie es aus dem „Fachbuch“ gelernt haben. Da ich zu spät mit dem, meinem unbewussten Lernprozess begann, musste ich mir alles selbst hart erarbeiten und herausfinden. Dieser scheinbare Nachteil könnte für künftige Schüler von Vorteil sein. Es gibt weitere, nicht zu unterschätzende Gründe, die mit dem gegebenen Talent jedes Einzelnen von uns zusammenhängen. Darauf einzugehen würde allerdings den Rahmen dieses Interviews sprengen.

 

Sie haben vor etwa zehn Jahren mit der Malerei und bildenden Kunst begonnen.

 

Mit dem Klavierspiel war ich in eine Sackgasse geraten. Ich suchte nach anderen Optionen, die mir vielleicht hinaus helfen könnten und entdeckte die Malerei. Schon als ich am ersten Bild saß, spürte ich Freude, Genugtuung und … war mir sicher, dass ich meinen Ansprüchen hier genügte. Das überraschte mich. Dann habe ich mir und meinen Fähigkeiten beim Malen einfach immer mehr vertraut, sie stetig ausgebaut. Das Selbstvertrauen brachte mich zurück zum Klavierspiel. Das empfinde ich als eine große Freude…

 

Was wollen Sie mit Ihrer Kunst erreichen?

In der Musik möchte ich dem Zuhörer Glücksmomente schenken. In der heutigen Zeit, wo alles leer und oberflächlich zu sein scheint, möchte ich dem Zuhörer die Geborgenheit vermitteln, dass er sich beim meinem Spiel, meinen Interpretationen durchaus tiefe Gefühle, Melancholie und Sehnsucht erlauben darf.

In der Bildenden Kunst dagegen strebe ich danach, dem Zuschauer das Wunder unseres Verstandes und unserer Fantasie näher zu bringen. Dass im menschlichen Denken noch unfassbar viel Potential steckt, soll der Zuschauer, der Betrachter eines Kunstwerkes unmittelbar, wie in einem tiefgreifenden Moment, und bewusst erfahren. Das wäre mein Ziel.

 

Aufgewachsen sind Sie mit der klassischen Musik, wer sind Ihre Vorbilder?

 

Als Komponist schätze ich mich am meisten Beethoven. Ich weiß aus eigener Erfahrung um diese tiefe Zerrissenheit und völlige Isoliertheit von der Realität, kenne auch die selbstzerstörerische Suche nach dem Höchsten und Absoluten.

Meine Vorbilder als Interpreten waren zu jeder Zeit die beiden großen „schrägen Vögel“ unter den klassischen Pianisten Glenn Gould und Vladimir Horowitz. Mit anderen Interpretationen konnte ich mich nie wirklich anfreunden. Diese beiden jedoch waren völlig bei sich, also bei ihrer eigenen Kunst. Als „komplizierte“ Persönlichkeiten hauten sie auch mal daneben. Sie kamen eben aus einer anderen Welt. Das faszinierte mich, dem will ich folgen.

 

Ihr erstes öffentliches Konzert haben Sie 2018 auf der Eröffnung einer Ausstellung Ihrer Bilder gegeben.

 

Das Votum der Zuhörer war zustimmend. Nun folgt das Konzert in der „Heilig-Kreuz-Kirche“ im November. Die eigene Musik ist hier der Grund der Veranstaltung, die Bildende Kunst wird sie angemessen leise und trotzdem strahlend begleiten. Lassen Sie sich überraschen.

 

Am 2. November werden Sie eigene Improvisationen bzw. Kompositionen im Sinne der „New Classic“ spielen, also keine Klassik. Was unterscheidet Sie von Pianisten und Komponisten wie George Winston und Ludovico Einaudi?

 

Als 1993 der australisch/neuseeländische Film „Das Piano“in die Kinos kam, hat mich die Musik von Michael Nyman wie ein Schlag getroffen. Auch ich wollte weg von der atonalen Musik, zurück zu harmonischen Melodien, die trotzdem etwas Neuartiges und Tiefsinniges in sich haben. Deshalb erfreue ich mich besonders an den Werken von George Winston bis hin zu Ludovico Einaudi. Ich versuche wie sie, über alles einen Bogen zu spannen und noch etwas drauf zu setzen, wie ein Suchender, der eine weitere Tür öffnen möchte.

 

Was können wir zukünftig von Ihnen erwarten?

 

Ich arbeite, d.h. ich male und bereite Ausstellungen vor, die über die bisherige Komplexität meiner aktuellen Bilder hinausgehen sollen. Im nächsten Konzert möchte ich vielleicht Beethoven spielen – eben auf meine Weise – nach 40 Jahren des Vorbereitens.