Rede anlässlich der Vernissage in Schloss Ziethen am 10.10. 2015:

 

Das Lächeln der Katze

 

Zum Werk von Markus Mende

Von Gerhard Charles Rump (Kunsthistoriker, Berlin)

 

 

Betrachtet man die Oeuvres von Künstlern mit dem taxonomischen, dem klassifizierenden Blick, so gibt es, ganz beschreibend und wertfrei, zwei Haupttypen: Der eine ist einheitlich im Charakter, das Spätwerk ist im Frühwerk schon präfiguriert, es ist eine kontinuierliche Stilentwicklung zu sehen, und die Werke aller Schaffensperioden ähneln sich. Das ist in etwa der Altmeister-Typus. Der andere ist der des Unterschiedlichen, Erratischen, Wechselhaften, der auch gleichzeitig divergierende Lösungen zulässt, in dem der ästhetisch Werktätige sowohl stilistisch wie technisch wie motivisch wie inhaltlich unterschiedliche Dinge ausprobiert. Der erstere Typus ist in der Moderne etwa in Werk von Henry Moore (Lynn Chadwick, Ben Nicholson, Sam Francis) zu sehen, der letztere bei Barbara Hepworth oder besonders Gerhard Richter. Dessen "Städtebilder" etwa und die Farbtafeln nebeneinander – wer es nicht weiss, kommt erst gar nicht darauf, dass beide Werke vom selben Künstler stammen.

 

Ähnlich liegen die Verhältnisse bei Markus Mende, der, wie Richter, vor einer künstlerischen Problemlage sein Arsenal sortiert und dem individuellen Anspruch eine jeweils individuelle Lösung zuordnet. Da sind zum Beispiel die Bilder seiner Serie "Linien", die auch einen Grenzgang zwischen Malerei und Zeichnung, und zwischen unterschiedlichen Verwirklichungen von Sprache darstellen. Zwischen vielen, locker über die Bildfläche verteilten Zeichen mit einer transparenten Zentralform und teils mit Absicht verunklärter Herkunft und Zuordnung, finden sich auch Andeutungen von Gegenständen oder als Formwert aufgefasste Buchstaben. Das fliesst alles in einer gemeinsamen Bildlichkeit zusammen, und das geht so gut, weil alles Sprache ist. (Extemp?)

 

Wenn wir bedenken, dass jedwede Kommunikation eine Ausformung des Systems Sprache ist, dann bemerken wir, dass es gerade darum hier geht. Sprache verwirklicht sich hauptsächlich in Lauten, in Buchstaben und in Bildern, wobei jedes dieser Untersysteme seine eigenen Eigenschaften entwickelt und zwischen ihnen nie eine völlige Deckungsgleichheit erreicht werden kann.

 

Markus Mende nutzt die gemeinsame Tiefenstruktur um eine differenzierte Oberfläche zu schaffen, um aus einzelnen Zeichen Bilder zusammenwachsen zu lassen. Manche Zeichen können wir keiner Bedeutung zuordnen, wir ersetzen sie durch Anmutungsqualitäten, durch Emotionales, durch Nicht-Begriffliches.

 

Eine andere Serie heisst ausdrücklich "Zeichen" und nimmt Rekurs auf asiatische Vorbilder, indem die kalligrafische Qualität der Schöpfungen auf genau diese Zurüstungen in der Vorlage abzielt. Das ist eine Art von Rekonstruktion, da wir dem Vorgang in den Bildern selbst nachspüren können. Hier wird die farbige Dimension besonders wichtig weil auf bestimmte Wirkungen hin entworfen.

 

Bei Mendes "Ebenen" verbinden sich solche Gestaltungen mit definierten Bildflächen, Raum- und Farbtiefen als unterschiedlichen Ebenen. Die Wechselwirkungen werden komplexer, und immer dann, wenn man meint, man hätte die ästhetischen Rätsel gelöst und einen Pfad ins Verstehen gefunden bleibt dann doch nur das Lächeln der Cheshire-Katze: Nur das Lächeln an und für sich, ohne Katze. (So wie bei Lewis Carroll)

 

Eine andere Werkgruppe ist die der "Worte": Surreale, phantastische, abstrahierte Erzählungen von Imaginationen, die auf künstlerische Art und Weise Begriffe erklären und so moderne Formen von Allegorien darstellen. Der Übergang zur Gruppe von "Traumszenen" erscheint folgerichtig, wobei wir bestimmte Gestaltungselemente als wiederkehrende Elemente wahrnehmen und als Orientierungsbojen nutzen. Mal stark farbig, mal s/w, führen die Bilder in eine phantastische Welt aus biotischen, organischen Formen, die auf sehr komplexe Weise auch über die Interaktionen von Farben und den Wechselwirkungen mir Formen reden. Das ist ein künstlerisches Thema, das in der Westkunst seit Anfang des 20. Jahrhunderts bearbeitet wird und dennoch nie erschöpfend gestaltet wurde – wohl auch, weil das ein unmögliches Unterfangen wäre.

 

Bei Markus Mende kommen alle diese Themen vor, aber bewusst vermeidet er eine einseitige Ausrichtung, eine Konzentration auf einen Bild-Typus. Denn das bedeutete, auch wenn es eine legitime Entscheidung wäre, die mögliche Vielfalt von Ausdruck und Erkenntnis einzuengen, sich eine breite Palette von Möglichkeiten zu versagen.

 

Die Vielfalt der Konzepte und Lösungen im Oeuvre von Markus Mende entspricht auch in besonderer Weise der schier unüberschaubar gewordenen Vielfalt unser Welt. Der barocke italienische Humanist Hippolytus Guarinonius, der in deutscher Sprache publizierte, verfasste sein Hauptwerk Anfang des 17. Jahrhunderts. Es hiess "Die Greuel der Verwüstung menschlichen Geschlechts", und er führte darin alles an, was seiner Meinung nach das Heil des Menschen bedrohte. Schon damals war das ein nach endloser Erweiterbarkeit strebender Katalog. Bei Markus Mende finden wir, im künstlerischen Sinne, die Lösung der Probleme: Begegne Vielfalt mit Vielfalt, denn wer nur eine Idee hat, geht in den Strömen der Zeit leicht unter. Markus Mende bietet in seiner Kunst uns den Nachen, auf dessen Fahne Fluctvat nec mergitvr zu lesen steht. Will sagen: Wir gehen nicht unter, die Kunst steht uns bei.